von J. K.

Drei Generationen, drei Ortswechsel.
Erster Ortswechsel
Ich war immer fasziniert davon und fand es irgendwie cool, dass meine Großeltern von woanders herkamen. Dass meine Familie vertrieben wurde und viel Ablehnung erfuhr, wurde mir frühestens als Jugendliche bewusst.
Uroma, Uropa und Oma gehörten zu den sogenannten Donauschwaben, die sich in Novi Sad angesiedelt hatten. Ihre Bäckerei war dicht an der Donau: „Auf der Hauptstraße über die Brücke, dann das zweite Haus auf der linken Seite.“ So hat’s mir meine Oma immer stolz erzählt. Nach dem zweiten Weltkrieg änderte sich ihr Leben. Zunächst verlor Uropa seinen Betrieb und musste dann in seiner eigenen Backstube als Arbeiter sein Geld verdienen. Irgendwann war der Zeitpunkt da zu fliehen. Sie kamen nach Deutschland und wurden nicht gerade freundlich empfangen.
Es ist reine Glückssache, in welchem Land wir geboren werden und ob dort Frieden oder Krieg herrscht. Ich habe großes Glück, dass ich in meine Familie zu einem späteren Zeitpunkt, an einem friedlichen sicheren Ort geboren wurde.
Zweiter Ortswechsel
Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich nach 7 Jahren im Ausland wieder zurück nach Barmstedt kam. Dieses Mal nicht zu Besuch, sondern mit meiner 2-jährigen Tochter, acht Umzugskartons und einer Handvoll Möbel. Ich wollte wieder in der Nähe meiner Familie sein. Also landeten wir in dieser Kleinstadt, die ich so gut kenne, weil ich im Grunde genommen schon immer da war.
Nach den ersten Tagen war es wieder voll da: das Heimatgefühl. Egal, wo ich hinging, es hatte sich nichts verändert. In der Bücherei arbeiteten dieselben Frauen wie vor zehn Jahren, bei der Bank ebenso. Auch die Stadtvertreter und die Vorstände in den Vereinen waren die Altbekannten. Das überraschte mich damals und sorgte dafür, dass mir der Zeitraum von 7 Jahren – den ich woanders verbracht hatte – so unbedeutend klein vorkam. Ich fand mich superschnell zurecht, als wäre ich nie woanders zuhause gewesen.
Letzter Ortswechsel
Für meine Tochter bedeutet Zuhause: Bekannte Gesichter und Orte.
Ich weiß, dass ich ihr mit dem Umzug nch Pyhra viel zugemutet habe. Ich spüre auch nach einem Jahr, dass sie ihr letztes Zuhause vermisst und wieder zurück möchte. Ihr sind die bekannten Gesichter und Orte verlorengegangen und für einen spontanen Besuch viel zu weit weg.
Das Vorlesen am Abend ermöglicht meiner Tochter das Gefühl von Geborgenheit, egal wo wir sind. Weil wir bekannte Geschichten mitnehmen können. Geschichten von Freunden, die zusammenhalten, von Detektiven auf der Jagd nach den Tätern und von Kindern, die wütend und traurig sind, streiten und träumen.
Die Bücher sind ihr ein Zuhause oder die Frage: „Mama, erzähle mir noch mal von…“
Es sind die Geschichten, die immer wieder erzählt werden wollen.
Die Mitspielerin J.K. war insgesamt am häufigsten bei unseren Spieltischen im Rahmen der Tangente St. Pölten 2024- Festival für Gegenwartskultur dabei. Zum Abschluss hatte auch sie in Hamed ein Gegenüber um einen Ausschnitt ihrer Geschichten in ihrem Text „Drei Generationen, drei Ortswechsel“ zu kristallisieren und beim Wirtshaus Salon #1 im Gasthof Graf vorzutragen.