Was ist eine Heimat?

von Ruaa Hamami

Foto: (c)Maria Noi

Was ist eine Heimat? Und welche ist meine? Ist es der Ort, an dem ich länger gelebt habe? Oder
da, wo meine Urgroßeltern herkommen?

Als wir mit 12 Syrien verlassen mussten, haben wir alles zurückgelassen. Schon in Syrien sind
wir aufgrund des Krieges sehr oft umgezogen. Es sind schon 9 Jahre vergangen, seit wir herzogen
sind.
In den ersten Jahren in Österreich, habe ich mich wie ein Alien gefühlt – so anders war die
Situation auch nicht. Ich meine, die meisten in meiner Klasse wussten nicht mal, wo Syrien
genau ist.

Aber was ist jetzt meine Heimat? diese Frage diskutierte ich mit meiner Mutter. Sie meinte ich
müsste mich eigentlich zu Syrien gehörig fühlen, weil wir eigentlich aus Syrien kommen.

An einem Spieleabend habe ich mich mit der Frage mehr auseinandergesetzt. Nach über 10
Umzüge und 2 Ländern, habe ich für mich festgestellt, dass ich meine Heimat nicht innerhalb
von Kartengrenzen definieren kann.

Ich mag an Syrien viele Dinge, ich mag das Essen und die Straßen, die sogar um 3 Uhr in der Früh
voll mit Menschen sind.
Ich mag die schlaflosen Nächte im Haus meiner Oma, wenn sich die ganze Familie an einem
Freitagabend gesammelt hat.
Ich mag die alten Straßen und Gebäude, die uns Geschichten erzählen würden, wenn sie
sprechen könnten. Geschichten, die über tausende von Jahren weitergehen, voller Schmerz und
Freude, Siege und Niederlagen. Trotz allem, stehen diese Gebäuden noch – zumindest viele
davon.
Syrien fasziniert mich schon, aber ich weiß nicht, ob ich sie mein Zuhause nennen kann. Vor
allem fällt es mir schwer, weil ich mit der politischen und ethischen Lage nicht zufrieden bin. Die
Situation in Syrien macht mich traurig und leider kann ich mich nicht damit identifizieren.
Aber dafür denke ich, dass die Lage in Österreich viel besser ist. Ich mag Österreich aus vielen
Gründen. Ich mag die grüne Natur, ich mag die Architektur und die vielen kleinen Gassen, die
man in jeder Altstadt findet. Durch die Altstädte könnte ich Stunden lang gehen und ich würde
immer wieder was Neues finden. Ich find’s süß, dass Österreicher so stolz sind auf ihren Dialekt,
der ist auch irgendwie süß.

Ich glaub ich mag viele dieser Dinge wegen den Menschen, die ich mit der Zeit immer mehr lieb
gewonnen habe. Die langen Spaziergänge und das gemütliche Beisammensein am Fluss mit
Freunden, oder die chaotischen Schwimmunterrichtsstunden, bei denen sie mir das
Schwimmen beibringen wollten, aber auch die Picknicks im Wald mit meiner Freundin und ihren
Katzen – all diese Momente geben mir das Gefühl von Zuhause.

Sogar die Weihnachtzeit ist uns so wichtig geworden, das ist die Zeit, wo meine Familie wieder
vereint ist. Das ist die Zeit, wo wir uns Zeit füreinander nehmen und aufeinander schauen. Diese
ersten neuen Erinnerungen und Erlebnisse in meiner „neuen Heimat“, die ich durch meine
Familie und Freund:Innen sammeln durfte, fühlen sich für mich so an, als wäre ich Neugeboren
und dies sei nun mein neues Leben. Und ich mag dieses neue Leben.

Also was ist jetzt meine Heimat? Ich bin da zuhause, wo meine Lieblingsmenschen sind.

Ruaa Hamami war Gast bei einem Spieltisch im Rahmen von „about home“ bei der Tangente St. Pölten 2024- Festival für Gegenwartskultur und aus dieser Inspiration heraus hat sie nach einem Gespräch mit Hamed Abboud diesen Text geschrieben und beim Wirtshaus Salon #2 in der Stiegl Insel und bei der Abschluss Gala im Festivalzentrum der Tangente St. Pölten performt.